Banaba: Die vergessene Schwesterinsel Naurus

Eine pazifische Tragödie zwischen Kolonialismus, Umweltzerstörung und Exil.

Mitten im weiten Blau des zentralen Pazifiks, rund 300 Kilometer östlich von Nauru, liegt Banaba. Eine kleine, heute fast menschenleere Insel, deren Geschichte exemplarisch für die düsteren Kapitel kolonialer Ausbeutung und ökologischer Verwüstung steht. Einst reich an Phosphat, wurde Banaba über Jahrzehnte regelrecht abgetragen. Zurück blieb ein ausgebeutetes, entvölkertes Eiland, das in der internationalen Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Dabei gilt Banaba nicht wenigen Historikern als das womöglich „noch kaputtere“ Gegenstück zu Nauru.

Die Insel und ihre Geschichte

Banaba, auch als Ocean Island bekannt, ist geologisch vulkanischen Ursprungs. Eine Seltenheit im sonst korallenreichen Kiribati-Archipel. Die rund sechs Quadratkilometer große Insel war einst mit fruchtbarem Boden bedeckt und Heimat einer eigenständigen polynesisch-mikronesischen Kultur. Politisch ist Banaba heute Teil der Republik Kiribati, obwohl die banabanische Identität und Selbstwahrnehmung sich davon klar absetzt.

Die eigentliche Wende kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Mit dem Fund umfangreicher Phosphatvorkommen geriet Banaba in den Fokus imperialer Interessen. Die British Phosphate Commission (BPC) – ein gemeinsames Konstrukt Großbritanniens, Australiens und Neuseelands – übernahm die Kontrolle über den Abbau. Ähnlich wie auf Nauru wurde das lukrative Geschäft zur Lebensader der Landwirtschaft in Australien und Neuseeland, auf Kosten der lokalen Bevölkerung.

Umweltzerstörung in ihrer extremsten Form

Was auf Nauru bereits drastisch ist, erreicht auf Banaba seinen absoluten Tiefpunkt: Über 90 Prozent der bewohnbaren Fläche wurden zwischen 1900 und 1979 abgetragen. Ganze Hügelketten verschwanden, der Boden wurde zerstört, das Grundwasser versalzt. Anders als Nauru, das 1968 unabhängig wurde und über seine Ressourcen verfügte, hatte Banaba nie die Chance auf Selbstbestimmung. Die Ausbeutung wurde vollständig von außen gesteuert, ohne ernsthafte Rücksicht auf die Lebensgrundlage der Banabaner.

Japanische Besatzung: Die Jahre der Gewalt

Während des Zweiten Weltkriegs wurde Banaba 1942 von japanischen Truppen besetzt. Die ansässige Zivilbevölkerung war brutaler Gewalt ausgesetzt. Zahlreiche Banabaner wurden zur Zwangsarbeit verschleppt, viele starben an Hunger, Misshandlung und Krankheiten. Am Ende der Besatzung kam es zu einem der dunkelsten Kapitel der Inselgeschichte: Ein Massaker, bei dem fast 200 Banabaner auf grausame Weise getötet wurden, nur wenige überlebten.
Die japanische Besatzung ist bis heute ein zentrales Element im kollektiven Gedächtnis der Banabaner. Ein Trauma, das sich mit der kolonialen Ausbeutung überlappt und verstärkt.

Rabi: Eine Nation im Exil

Nach Kriegsende erklärte die BPC die Insel für unbewohnbar. Die Banabaner wurden 1945 zwangsumgesiedelt – auf die zu Fidschi gehörende Insel Rabi. Dort leben heute rund 5.000 Menschen banabanischer Herkunft. Die Umsiedlung wurde nie als freiwillig empfunden: Viele Banabaner betrachten Rabi als Exil, Banaba aber weiterhin als ihre wahre Heimat. Der Wunsch nach Rückkehr ist weiterhin aktuell, doch die Insel ist bis heute kaum bewohnbar, die Infrastruktur rudimentär, die rechtlichen Besitzverhältnisse kompliziert.

Der Kampf um Anerkennung und Gerechtigkeit

In den 1970er Jahren begannen die Banabaner, öffentlich gegen Australien, Neuseeland und Großbritannien zu klagen. Sie forderten Entschädigung für die Ausbeutung ihrer Insel und eine ernsthafte Rückkehrperspektive. Einige Zahlungen wurden schließlich geleistet, auch der „Banaban Trust Fund“ wurde eingerichtet – doch aus Sicht vieler Banabaner sind dies allenfalls symbolische Gesten. Eine ernsthafte juristische oder politische Aufarbeitung steht bis heute aus.
In jüngster Zeit mehren sich die Stimmen junger Banabaner, die nicht nur Rückkehr, sondern auch kulturelle Autonomie und internationale Anerkennung einfordern. Vor allem in Australien gibt es eine kleine, aber wachsende Bewegung zur historischen Aufarbeitung der Verantwortung.

Der Vergleich mit Nauru: Zwei Wege – ein Schicksal

Nauru und Banaba sind Schwestern im Schicksal, aber mit unterschiedlichen Verläufen. Während Nauru zumindest kurzzeitig von seinem Rohstoffreichtum profitierte, blieb Banaba vollkommen entrechtet. Nauru wurde eine unabhängige Republik, Banaba ein „Anhängsel“ von Kiribati. Der zerstörerische Charakter des Phosphatabbaus ist auf beiden Inseln sichtbar. Doch auf Banaba blieb buchstäblich nichts zurück: keine Zukunft, keine politische Stimme, keine internationale Sichtbarkeit.