Koloniale Altlasten: Die Affen von Angaur
Ein Stück deutsche Kolonialgeschichte lebt auf Palau – mit Krallen, Zähnen und einer Vorliebe für süßes Obst.

Auf der kleinen Insel Angaur, am südlichen Rand des pazifischen Inselstaates Palau, lebt bis heute eine Population von Javaneraffen (Macaca fascicularis), die einst von deutschen Kolonialbeamten eingeführt wurde. Was als kurioses Tierexperiment begann, ist heute ein ökologisches und politisches Problem und ein Symbol für die bis heute nachwirkenden Eingriffe des deutschen Kaiserreichs in die Inselwelten Mikronesiens.
Die Geschichte reicht zurück ins Jahr 1909: Deutsche Kolonialherren, die Angaur vor allem wegen seiner reichen Phosphatvorkommen wirtschaftlich ausbeuteten, ließen mehrere Javaneraffen – vermutlich aus Südostasien – auf die Insel bringen. Ob zur Belustigung, zu Forschungszwecken oder schlicht aus Exotismus, ist unklar. Was sicher ist: Die Affen fanden ideale Bedingungen vor und vermehrten sich. Heute leben schätzungsweise mehrere hundert Tiere auf Angaur, womöglich mehr Affen als Menschen.
Die tierischen Einwanderer haben sich im Inselalltag längst breitgemacht. Sie plündern Papaya- und Taro-Felder, überwinden problemlos Zäune, sind lernfähig und schwer zu vertreiben. Viele Bewohner sehen in ihnen eine regelrechte Plage. Gleichzeitig sind die Makaken auch eine Kuriosität: Nirgendwo sonst im Pazifik gibt es wildlebende Affen, ein Alleinstellungsmerkmal, das sich theoretisch touristisch vermarkten ließe.
Tatsächlich wurde 2020 auf Angaur ein über 9 Hektar großes „Monkey Sanctuary“ eingerichtet. Es soll die Tiere in einem abgegrenzten Areal konzentrieren und künftig für Ökotourismus genutzt werden, mit Beobachtungsplattformen und Wanderpfaden. Doch die Praxis ist schwierig: Die Affen sind clever, meiden wiederholt gestellte Fallen und lassen sich nicht dauerhaft an Futterstationen binden. Jagdmaßnahmen werden diskutiert, sind aber ethisch umstritten.
Im Jahr 2022 beschloss das Parlament von Angaur eine bemerkenswerte Resolution: Die Regierung Deutschlands wurde darin formell aufgefordert, sich an der Eindämmung der Affenplage zu beteiligen, als Verantwortliche für die damalige Einführung. Das Schreiben spricht von einem kolonialen „Vermächtnis“ und fordert konkrete technische Unterstützung. In gewisser Weise geht es um mehr als um Affen: Es geht um die Frage, wie ehemalige Kolonialmächte heute mit den ökologischen und gesellschaftlichen Folgen ihres historischen Handelns umgehen.
Für Palau ist der Fall der Affen auf Angaur nicht nur ein lokales Ärgernis, sondern ein Prüfstein für internationale Verantwortung. Und für Deutschland ist es ein Anlass, genauer hinzuschauen auf scheinbar kleine, aber symbolträchtige Kapitel einer kaum aufgearbeiteten kolonialen Vergangenheit im Pazifik.