Länderporträt: Commonwealth der Nördlichen Marianen
Spanier, Deutsche, Japaner, Amerikaner – kaum ein anderer Pazifikstaat hat so viele Kolonialherren erlebt. Ein Blick auf das US-Commonwealth im Westpazifik.

📦 Infobox: Commonwealth der Nördlichen Marianen
Fläche: ca. 464 km²
Einwohner: ca. 47.000 (2024)
Politischer Status: Außengebiet der USA mit innerer Autonomie
Währung: US-Dollar (USD)
Amtssprachen: Englisch, Chamorro, Karolinisch
Größte Inseln: Saipan, Tinian, Rota
Besonderheiten: US-Staatsbürgerschaft, aber keine Präsidentschaftswahl
Geografie: Vulkanische Kette im westlichen Pazifik
Die Nördlichen Marianen (Commonwealth of the Northern Mariana Islands, CNMI) erstrecken sich über 14 Inseln nordöstlich von Guam. Sie sind Teil des Marianenbogens, einer tektonisch aktiven Zone mit mehreren erloschenen und aktiven Vulkanen. Die südlichen Inseln (Saipan, Tinian, Rota) sind bewohnt, die nördlichen Inseln überwiegend unbewohnt und schwer zugänglich.
Das tropische Klima bringt heiße, feuchte Sommer und eine ausgeprägte Taifun-Saison. Die Meeresgebiete um die Marianen zählen zu den artenreichsten der Welt. Insbesondere im „Mariana Trench Marine National Monument“, das bis zur tiefsten Stelle des Weltmeeres reicht.
Geschichte: Von Kolonie zu Commonwealth
Die Nördlichen Marianen blicken auf eine wechselvolle koloniale Vergangenheit zurück, in der europäische, asiatische und amerikanische Mächte ihre Spuren hinterließen. Oft gewaltsam, selten zum Wohl der lokalen Bevölkerung.
Die ersten Siedler waren die Chamorro, die vor über 3.500 Jahren aus Südostasien auf die Inseln kamen. Ihre seefahrende Gesellschaft wurde ab dem späten 17. Jahrhundert durch spanische Missionare und Kolonialherren radikal umgestaltet: 1668 begann die Christianisierung, begleitet von militärischer Unterwerfung, Zwangsumsiedlungen und Epidemien. Die Inselgruppe wurde nach der spanischen Königin Maria Anna von Österreich benannt.
Nach dem Verlust Guams an die USA im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 verkaufte Spanien die restlichen Marianen 1899 an das Deutsche Reich. Damit begann die politische Trennung des Archipels, die bis heute besteht. Die Nördlichen Marianen wurden Teil von Deutsch-Neuguinea, unterstanden der Handelsgesellschaft der Jaluit-Gesellschaft und wurden nur locker verwaltet.
Japan übernahm die Inseln kampflos im Ersten Weltkrieg und erhielt nach 1919 ein Völkerbundmandat. Unter der Verwaltung des südlichen Mandatsgebiets wurden große Teile der Inselwirtschaft für den Zuckerrohranbau erschlossen. Gleichzeitig kam es zu massiver japanischer Zuwanderung. In Saipan lebten zeitweise mehr Japaner als Einheimische. Die indigene Bevölkerung wurde zunehmend marginalisiert.
Während des Zweiten Weltkriegs befestigte Japan die Inseln strategisch. Die Schlacht um Saipan 1944 war eine der blutigsten Auseinandersetzungen im Pazifikkrieg und endete mit der Eroberung durch US-Truppen. Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Atombombe, deren Bomber später von der Nachbarinsel Tinian starteten.
Nach dem Krieg kamen die Marianen unter US-Verwaltung als Teil des UN-Treuhandgebiets „Pazifische Inseln“. 1978 entschieden sich die Nördlichen Marianen, anders als die heutigen unabhängigen Staaten Palau, Marshallinseln und Mikronesien, für eine engere Bindung an die USA. Als „Commonwealth in political union with the United States“ erhielten sie eine eigene Verfassung und innere Autonomie, blieben jedoch außen- und sicherheitspolitisch von Washington abhängig.
Politik und Gesellschaft: Zwischen Selbstverwaltung und US-Abhängigkeit
Heute verfügen die Nördlichen Marianen über ein gewähltes Parlament, einen Gouverneur und eigene Gerichte, jedoch nur über eine nicht stimmberechtigte Delegation im US-Kongress. Die Bevölkerung besitzt US-Staatsbürgerschaft. Gesellschaftlich sind die Marianen stark durch Migration geprägt: Menschen aus den Philippinen, China, Korea und dem Pazifikraum bilden große Bevölkerungsgruppen. Chamorro und Karoliner:innen sind in der Minderheit, aber kulturell prägend.
Wirtschaft: Tourismus, Migration und Militär
Früher war die Textilindustrie unter Ausnutzung von US-Steuervergünstigungen ein wichtiger Sektor. Inklusive problematischer Arbeitsbedingungen für ausländische Arbeitskräfte. Nach deren Zusammenbruch wurde der Tourismus zur Hauptstütze der Wirtschaft mit einem besonderen Fokus auf südkoreanische und chinesische Gäste.
Seit den 2010er-Jahren wächst die Rolle des US-Militärs wieder: Tinian wird als Ergänzung zu Guam zunehmend militärisch erschlossen, was bei Teilen der Bevölkerung auf Widerstand stößt.
Sprache und Kultur: Mehrsprachig, multiethnisch, marianisch
Die marianische Kultur ist ein Mosaik aus chamorrischer, karolinischer, asiatischer und amerikanischer Prägung. Englisch ist Verwaltungssprache, doch Chamorro und Karolinisch sind in Teilen der Bevölkerung weiter lebendig. Obwohl viele junge Menschen diese Sprachen nicht mehr aktiv sprechen. Traditionelle Tänze wie der „Carolinian Stick Dance“ oder das „Chamorro Chanting“ werden bei Festen gepflegt.
Haben Sie Fragen, Hinweise oder eigene Erfahrungen mit dem Commonwealth der Nördlichen Marianen? Schreiben Sie uns. Mar Pacífico lebt vom Austausch.