Länderporträt: Tokelau

Ein abgelegenes Inselgebiet ohne Flughafen, aber mit 100 % Solarstrom. Die Tokelauer leben selbstbestimmt und zugleich bewusst ohne volle Eigenstaatlichkeit. Tokelau ist vielleicht das unbekannteste „Land“, das keines sein will und gerade deshalb einen genauen Blick wert.

Die Flagge Tokelaus zeigt ein stilisiertes polynesisches Auslegerkanu (vaka) in Gold auf dunkelblauem Grund. Es symbolisiert die seefahrende Kultur der Tokelauer und ihre Reise in Richtung Selbstbestimmung. Rechts oben stehen vier weiße Sterne in Form des Kreuzes des Südens – eine Referenz auf die geografische Lage im Südpazifik sowie die Verbindung zu Neuseeland, dessen Flagge dasselbe Sternbild zeigt.

📦 Infobox: Tokelau

Status: Nicht-souveränes Gebiet in freier Assoziierung mit Neuseeland (seit 1948)
Hauptort: Kein offizieller Hauptstadtstatus. Die Verwaltung wechselt zwischen den drei Atollen, derzeit auf Nukunonu
Einwohnerzahl: Ca. 1.500 (Stand 2024)
Landfläche: Etwa 12 km², verteilt auf drei Atolle (Atafu, Nukunonu, Fakaofo)
Sprache: Tokelauisch, Englisch
Religion: Mehrheitlich protestantisch (Atafu, Fakaofo) bzw. katholisch (Nukunonu)
Währung: Neuseeland-Dollar (NZD)
Erreichbarkeit: Keine Flughäfen – nur per Schiff von Samoa
Energieversorgung: Seit 2012 zu 100 % durch Solarenergie

Geografie: Drei Atolle mitten im Nichts und doch verbunden

Tokelau besteht aus drei kleinen Atollen – Atafu, Nukunonu und Fakaofo – mitten im Südpazifik, etwa 500 km nördlich von Samoa. Zusammen bringen sie es auf gerade einmal 12 Quadratkilometer Landfläche, aber die Meereszone, die sie umgibt, ist über 290.000 Quadratkilometer groß. Eine Straße verbindet hier nichts, es gibt keinen Flughafen, und Schiffsverbindungen sind oft wetterabhängig. Tokelau ist eines der abgelegensten Siedlungsgebiete der Welt, aber auch eines der bestorganisierten im Pazifik.

Namensherkunft und Geschichte: „Nordwind“ und Missionsstation

Der Name Tokelau bedeutet auf Tokelauisch „Nordwind“. Die Atolle wurden wohl seit Jahrhunderten von Polynesiern besiedelt, hatten aber kaum Kontakt zur Außenwelt. 1765 wurden sie durch den britischen Seefahrer John Byron „entdeckt“, im 19. Jahrhundert folgten Perlenhändler, Missionare und Sklavenjäger. 1889 erklärte Großbritannien Tokelau zum Protektorat, 1925 wurden die Inseln Neuseeland unterstellt, zunächst verwaltet über Samoa.
Der Einfluss christlicher Missionen prägte Tokelau bis heute: Atafu und Fakaofo sind protestantisch, Nukunonu katholisch – und der Glaube ist zentraler Bestandteil des Alltags.

Tokelau im Zweiten Weltkrieg: Ein Rückzugsort im Südpazifik

Während des Zweiten Weltkriegs blieb Tokelau weitgehend vom Kriegsgeschehen verschont, diente jedoch für alliierte Streitkräfte (v. a. die US Navy) gelegentlich als Versorgungs- und Beobachtungsstützpunkt in der Nähe zu strategisch wichtigeren Gebieten wie Samoa oder Kiribati. Die Inseln lagen außerhalb der japanischen Operationsräume, blieben aber Teil des pazifischen Kriegsumfelds etwa durch Funkstationen und Marinepassagen. Die Auswirkungen auf die Bevölkerung waren im Vergleich zu anderen Pazifikinseln gering, aber Tokelau war dennoch Teil des globalen Konflikts.

Gesellschaft: Dorfdemokratie, Migration und gelebte Gemeinschaft

Tokelau wird von seinen eigenen Dorfältestenräten (Taupulega) regiert, in einem Modell, das oft als Beispiel für polynesischen Kommunalismus gilt. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und das soziale Gefüge basiert auf gegenseitiger Verantwortung. Die formale Staatlichkeit liegt bei Neuseeland, doch die Selbstverwaltung ist weitreichend. Zwei Referenden (2006, 2007) über eine mögliche volle Selbstbestimmung scheiterten knapp. Die Mehrheit der Tokelauer wollten Teil Neuseelands bleiben, auch wegen Sicherheit, Bildung und medizinischer Versorgung. Ein Großteil der Tokelauer lebt heute im Ausland, vor allem in Neuseeland. Dort ist Tokelauisch bereits vom Aussterben bedroht. Dennoch pflegen viele Tokelauer in der Diaspora enge familiäre und kulturelle Bindungen zu den Atollen.

Solarenergie statt Diesel: Tokelau als Vorreiter im Pazifik

2012 sorgte Tokelau international für Aufmerksamkeit: Als erstes Gebiet weltweit stellte es seine Stromversorgung komplett auf Solarenergie um. Unterstützt von neuseeländischer Entwicklungshilfe und mit Solarpanels auf allen drei Atollen. Der Umstieg reduzierte die Dieselimporte drastisch und machte Tokelau zum Modellprojekt für nachhaltige Energieversorgung auf abgelegenen Inseln.

Digitale Welt: Ein Land, ein Kürzel – Millionen Webseiten

Obwohl Tokelau über keine eigene Glasfaseranbindung und nur begrenzten Internetzugang verfügt, spielt es im weltweiten Netz eine kuriose Rolle: Die Top-Level-Domain .tk gehört offiziell zu Tokelau, wurde jedoch international als kostenlose Webadresse bekannt. Über ein Abkommen mit einem niederländischen Betreiber konnten Nutzer weltweit kostenlos .tk-Domains registrieren. Ein Angebot, das besonders bei Testseiten, Kleinunternehmen und leider auch bei Spammern beliebt war.
Der Clou: Trotz der geringen Größe profitierte Tokelau davon wirtschaftlich. Ein Teil der Einnahmen aus kostenpflichtigen Premium-Registrierungen floss in den Haushalt des Inselterritoriums und machte Tokelau zeitweise zum größten Domain-Exporteur der Welt. Ein paradoxer Erfolg in der digitalen Welt, der kaum sichtbaren Inseln ungeahnte Reichweite verschaffte.

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