Länderporträt: Wallis und Futuna
Polynesische Tradition, französische Verwaltung und drei Königreiche

📦 Infobox: Wallis und Futuna
Hauptstadt: Mata-Utu
Einwohnerzahl: ca. 11.500
Fläche: 142 km²
Währung: CFP-Franc
Sprachen: Französisch (Amtssprache), Wallisianisch (ʻUveanisch), Futunisch
Politischer Status: Französisches Überseegebiet mit Sonderstatus (Collectivité d’outre-mer, COM)
Geografie: Zwei Inselgruppen, getrennt durch das Meer
Wallis und Futuna bestehen aus zwei weit voneinander entfernten Inselgruppen im südwestlichen Pazifik. Im Nordosten liegt ʻUvea (auch Wallis genannt) mit rund zwei Dritteln der Bevölkerung und einer geschützten Lagune. 230 Kilometer südwestlich liegen die steileren, vulkanischen Inseln Futuna und Alofi, die als konservativer und traditionsverbundener gelten.
Die Inseln gehören geografisch zur polynesischen Kulturwelt, liegen jedoch isoliert zwischen Samoa, Tonga und Fidschi und stehen abseits der regionalen Verkehrsknotenpunkte.


Geschichte: Zwischen Mission, Monarchie und französischem Zugriff
Die Inseln wurden bereits vor über 2000 Jahren von austronesischen Seefahrern besiedelt und standen später in enger Verbindung mit Tonga und Samoa. Mächtige Häuptlingshäuser prägten die lokale Ordnung. Im 19. Jahrhundert gelang es katholischen Missionaren, das Christentum tief zu verankern. Bis heute ist Wallis und Futuna eines der katholischsten Gebiete der Erde.
1888 wurden die drei Königreiche ʻUvea (Wallis), Alo und Sigave zu französischen Protektoraten. Anders als in anderen Kolonien beließ Frankreich den traditionellen Monarchien eine gewisse institutionelle Eigenständigkeit. Die Missionare blieben der mächtigste gesellschaftliche Faktor.
Im Zweiten Weltkrieg standen die Inseln ab 1940 zunächst unter Kontrolle des mit Nazi-Deutschland kollaborierenden Vichy-Regimes. Kirche und Kolonialverwaltung hielten Frankreich die Treue, allerdings ohne strategische Bedeutung. Erst 1942 landeten US-Truppen auf ʻUvea und richteten eine Nachschubbasis ein. Der Wechsel zu de Gaulles France libre erfolgte leise, aber symbolisch: Wallis wurde Teil der „freien Welt“.
1959 entschieden sich die Einwohner in einem Referendum mehrheitlich für den Verbleib bei Frankreich – 1961 wurde Wallis und Futuna offiziell französisches Überseegebiet mit Sonderstatus (collectivité d’outre-mer).
Politisches System: Republik und Monarchie nebeneinander
Wallis und Futuna sind einzigartig im französischen Überseegefüge: Neben der republikanischen Territorialverwaltung existieren drei offiziell anerkannte Königreiche. Die Könige von ʻUvea, Alo und Sigave haben keine gesetzgeberische Macht, aber großen Einfluss auf lokale Entscheidungen, das Landrecht und das soziale Gefüge.
Ein préfet vertritt die französische Zentralregierung, eine kleine territoriale Versammlung übernimmt gesetzgeberische Aufgaben – viele davon aber rein verwaltend. Im Alltag funktioniert vieles nach mündlicher Übereinkunft zwischen Präfektur, Versammlung, Dorfältesten und den Königshöfen.
Gesellschaft: Tradition, Glaube und die große Abwanderung
Die Bevölkerung ist zu über 95 % polynesisch, fast vollständig katholisch und lebt stark gemeinschaftsbezogen. Der Einfluss der Kirche auf Schule, Politik und Moral ist tiefgreifend. Viele Jugendliche ziehen nach Neukaledonien, Tahiti oder Frankreich – allein in Neukaledonien leben mehr Menschen aus Wallis und Futuna als im eigentlichen Territorium.
Abwanderung, Rücküberweisungen und der Verlust junger Arbeitskräfte sind zentrale Herausforderungen. Die Infrastruktur ist teils marode, es fehlt an qualifiziertem Personal und wirtschaftlichen Perspektiven. Landwirtschaft und Fischerei reichen kaum zum Lebensunterhalt.
Medienlandschaft: Stimme aus Paris, Echo vor Ort
Bereits in der Kolonialzeit kontrollierten katholische Missionare den Informationsfluss: über Predigten, Rundbriefe, Katechismus. Während des Vichy-Regimes (1940–1942) wurde Propaganda aus Pétains Frankreich auch über kirchliche Kanäle vermittelt – allerdings ohne große öffentliche Resonanz.
Heute betreibt der französische Staat den lokalen TV- und Radiosender Wallis-et-Futuna la 1ère, der zur Gruppe France Télévisions gehört und über Satellit sendet. Zusätzlich erscheinen sporadisch lokale Monatsblätter und Gemeindemitteilungen, teils auf ʻUveanisch oder Futunisch.
Im Vergleich zu Neukaledonien oder Tahiti ist die Medienlandschaft extrem überschaubar, kaum unabhängig und stark zentralisiert. Digitale Medienangebote sind selten, Mobilfunk und Internetzugang bleiben begrenzt.
Vergleich zu anderen Überseegebieten: Loyalität ohne Autonomie
Im Unterschied zu Neukaledonien (mit Unabhängigkeitsreferenden) oder Französisch-Polynesien (mit einem gewissen Autonomiestatus und Regionalflughäfen) ist Wallis und Futuna politisch kaum eigenständig und wirtschaftlich vollständig von Frankreich abhängig.
Es gibt keine Regionalregierung, keine eigene Stimme bei französischen Haushaltsverhandlungen und kaum sichtbare außenpolitische Rolle. Paris verwaltet, zahlt und bleibt fern.
Wallis und Futuna erscheinen Frankreich oft als kleines Überbleibsel kolonialer Ordnung, ohne strategischen Nutzen, aber mit kulturellem Gewicht: als konservative Bastion französischer Präsenz in Polynesien – loyal, katholisch, königlich.
Fazit: Das stille Herz Polynesiens
Wallis und Futuna sind weder geopolitisches Zünglein an der Waage noch wirtschaftliches Labor. Die Inseln wirken oft wie vergessen – und wollen es vielleicht auch sein. Hier leben Republik, Monarchie und Mission nebeneinander, in einem fragilen Gleichgewicht zwischen Loyalität und Lethargie.
Während andere französische Überseegebiete auf mehr Selbstverwaltung oder Unabhängigkeit drängen, bleibt Wallis meist leise – bewahrend, verbunden, aber auch abgehängt.
Videos und Reportagen über Wallis und Futuna
📌 „L’ARCHIPEL LE PLUS INSOLITE DE FRANCE“
(YouTube, 11 Min – Géo Découverte)
Kompakte Reportage über Kultur, Politik und Identität der drei Königreiche – zwischen französischem Staat und polynesischer Eigenständigkeit.
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📌 „Exploring Wallis and Futuna | The Kingdom of Uvea, Polynesia„
(YouTube, ca. 12.30 Min – Kanal: It’s Yomi!)
Kurzer atmosphärischer Rundgang durch Landschaft, Alltag und Traditionen auf ʻUvea – mit viel Gefühl für die besondere Stimmung der Inselgruppe.
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