Länderporträt: Guam

Guam ist vieles zugleich: US-Territorium, Mikronesien, Militärstützpunkt, Heimat der Chamorro – aber kein Bundesstaat, keine Nation, keine vollständig dekolonisierte Insel.

Die Flagge Guams zeigt ein rotes, ovales Emblem auf dunkelblauem Grund. In der Mitte des Emblems sind eine Kokospalme, ein traditionelles Auslegerkanu (Proa) und ein tropischer Strand dargestellt. Symbole für Natur, Kultur und die seefahrende Geschichte der Chamorro. Der rote Rand erinnert an die blutigen Kämpfe und Opfer der Inselbevölkerung in der Kolonialzeit und im Zweiten Weltkrieg.

📦 Infobox: Guam

Offizieller Status: Nichtinkorporiertes US-Außengebiet
Hauptstadt: Hagåtña
Einwohnerzahl: ca. 170.000
Fläche: 544 km²
Amtssprachen: Englisch, Chamorro
Währung: US-Dollar (USD)
Politisches System: Eigene Verfassung, Gouverneur, Legislativrat; keine Stimmrechte im US-Kongress
Wirtschaft: Tourismus, Militär, Dienstleistungen

Lage, Landschaft und Lagebild

Guam liegt am westlichen Rand des Pazifischen Feuerrings, etwa 2.500 Kilometer östlich der Philippinen und knapp 6.000 Kilometer von Hawaiʻi entfernt. Politisch gehört es zu den USA, geografisch zu Mikronesien. Die Insel ist 549 Quadratkilometer groß, etwa so groß wie Bremen und Heimat von rund 170.000 Menschen.

Das Klima ist tropisch-feucht mit einer Regenzeit zwischen Juli und November. Im Süden ist die Insel bergiger und von dichter Vegetation geprägt, während der Norden von Kalksteinplateaus und küstennahen Siedlungen dominiert wird. Wichtig zu wissen: Guam ist die südlichste und größte Insel des Marianenbogens – eines Inselbogens, der auch die zu den Nördlichen Marianen gehörenden Inseln umfasst.

Guam beherbergt eine tropische Vegetation mit Mangroven, Regenwäldern und Küstendickichten, die einst zahlreichen endemischen Tierarten Lebensraum boten. Doch besonders die Fauna der Insel hat unter menschlichen Eingriffen stark gelitten: Durch die versehentliche Einschleppung der Braunen Nachtbaumnatter (Boiga irregularis) nach dem Zweiten Weltkrieg sind fast alle einheimischen Vogelarten Guams ausgestorben oder akut bedroht. Ein drastisches Beispiel für ökologische Kettenreaktionen auf Inselökosysteme. Inzwischen versucht man durch Aufforstung, Auswilderungsprogramme und biologische Kontrolle gegenzusteuern. Dennoch bleibt die biologische Vielfalt Guams fragil und symptomatisch für die verwundbare Umwelt Ozeaniens.

Lage Guams auf der Erde. Bild: Wikipedia Lizenz: CC BY 2.0
Karte von Guam. Bild: Wikipedia Lizenz: CC BY 2.0

Von Galeonen, Gewehren und globalen Begegnungen

Die koloniale Geschichte Guams beginnt mit der spanischen Inbesitznahme im Jahr 1565, obwohl die Insel erst 1668 missioniert und dauerhaft kolonisiert wurde. Über zwei Jahrhunderte war Guam eine wichtige Zwischenstation für die Manila-Galeonen – spanische Handelsschiffe zwischen Mexiko und den Philippinen. Die indigene Bevölkerung, die Chamorro, litt unter Zwangsumsiedlungen, Krankheiten und Missionierung, aber es entwickelte sich auch eine eigene Form kultureller Widerständigkeit.

1898 fiel Guam im Zuge des Spanisch-Amerikanischen Kriegs an die USA und wurde zum ersten dauerhaft kontrollierten US-Territorium im Pazifik. Die restlichen Marianen gingen an das Deutsche Kaiserreich, 1914 an Japan. Guam blieb unter US-Verwaltung mit kurzer, brutaler Unterbrechung: Während des Zweiten Weltkriegs besetzte Japan die Insel von 1941 bis 1944. Viele Chamorro wurden verschleppt, gefoltert oder getötet. Die Rückeroberung durch US-Truppen verwandelte Guam in ein hochmilitarisiertes Territorium.

Nach dem Krieg blieb Guam unter US-Kontrolle. 1950 erhielten Guames die US-Staatsbürgerschaft, aber bis heute kein volles politisches Mitspracherecht: Guam ist ein sogenanntes „unincorporated territory“, also ein nicht eingegliedertes Außengebiet ohne stimmberechtigte Vertretung im US-Senat und ohne Stimmrecht bei Präsidentschaftswahlen. Bis heute steht Guam auf der UN-Liste der „Non-Self-Governing Territories“, also der noch nicht dekolonisierten Gebiete.

Insel des „Sowohl-als-auch“

Guam ist heute eine faszinierende Mischung aus tropischer Inselrealität, amerikanischer Militärmoderne und mikronesischem Alltag. Die Hauptstadt Hagåtña (früher Agana oder spanisch Agaña) ist klein, aber Verwaltungssitz. Tumon, der touristischste Ort, erinnert eher an Miami oder Honolulu mit Malls, Hotelketten und Duty-Free-Shops. Zugleich gibt es Fiestas mit Spanferkel, katholische Prozessionen und Fregattvögel über Kalksteinfelsen.

Über ein Drittel der Inselfläche ist von US-Militär genutzt. Der Stützpunkt Andersen Air Force Base gilt als einer der wichtigsten der USA im Westpazifik, insbesondere im Kontext wachsender Spannungen mit China. Guam ist somit nicht nur „Amerikas unsinkbarer Flugzeugträger“, sondern auch potenzieller Zielpunkt im Fall eines militärischen Konflikts um Taiwan. Das prägt das Sicherheitsgefühl vieler Bewohner – zwischen Patriotismus, Angst und Resignation.

Die indigene Bevölkerung der Chamorro macht laut Zensus rund ein Drittel der Bevölkerung aus. Viele leben jedoch in der Diaspora, etwa in den USA oder auf den Nördlichen Marianen. Der Chamorro-Nationalismus hat in den letzten Jahrzehnten neue Formen gefunden: kulturelle Revivals, Forderungen nach Landrückgabe, Dekolonialisierung oder Unabhängigkeit. Der Nationalpark „War in the Pacific“ erinnert an die Kämpfe im Zweiten Weltkrieg, aber aus US-Perspektive. Chamorro-Gedenkorte sind oft informell oder kommunal organisiert.

Religion auf Guam: Katholische Prägung mit pazifischer Note

Die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung Guams bekennt sich zum römisch-katholischen Glauben – etwa 75–85 Prozent der Einwohner gehören der katholischen Kirche an. Diese religiöse Prägung geht auf die spanische Kolonialzeit zurück, als Guam im 17. Jahrhundert missioniert wurde und bis 1898 Teil des spanischen Ostimperiums war. Katholizismus ist tief im gesellschaftlichen Leben verankert: Fiestas zu Ehren von Schutzheiligen, Marienverehrung und kirchliche Feiertage prägen den Alltag vieler Dörfer. Daneben gibt es kleinere protestantische, evangelikale und neuapostolische Gemeinschaften, ebenso wie eine wachsende Zahl nicht religiös gebundener Menschen. Religiöse Minderheiten – etwa Buddhisten, Hindus oder Muslime – sind nur in sehr geringer Zahl vertreten, meist durch Migranten aus Asien.

Sprache, Alltag und Identität

Englisch ist Verwaltungssprache, daneben wird Chamorro gesprochen oder zumindest wiederbelebt. In Schulen wird die Sprache unterrichtet, es gibt lokale Radiosender und kulturelle Festivals. Gleichwohl ist der Sprachverlust tiefgreifend: Viele junge Chamorro sprechen nur Englisch oder ein kreolisiertes Chamorro.

Der Alltag auf Guam ist amerikanisch geprägt: Supermärkte mit importierter Ware, Fast Food, große Autos. Doch daneben stehen Häuschen mit Brotfruchtbäumen, es gibt Fischfang, Dorftreffen und eine ausgeprägte Festkultur. Viele Bewohner haben familiäre Verbindungen zu den Philippinen, zu Japan, Korea oder anderen pazifischen Inseln – Guam ist ein multikulturelles Mikronesien.

Und zugleich eine Insel der Widersprüche: US-Pässe, aber kein Stimmrecht. Tropenparadies, aber auch Zielscheibe strategischer Planspiele. Ein Ort, an dem Snapback-Caps auf Tattoo-Muster treffen und unter der Oberfläche die Frage brodelt, wem das Land wirklich gehört.

Medienlandschaft auf Guam: Zwischen lokaler Kultur und amerikanischem Einfluss

Die Medien auf Guam sind geprägt von einer Mischung aus lokalem Chamorro-Kulturbewusstsein und dem starken Einfluss der Vereinigten Staaten. Die Insel verfügt über mehrere lokale Radio- und Fernsehsender, die Nachrichten, Unterhaltung und kulturelle Inhalte in Englisch und Chamorro ausstrahlen. Dazu gehören beispielsweise KGUM News Talk Radio und der öffentlich-rechtliche Fernsehsender PBS Guam, die lokale Nachrichten und Programme mit Fokus auf Gemeinschaft und Kultur bieten.
Printmedien sind vor allem mit der Pacific Daily News vertreten, der wichtigsten Tageszeitung Guams, die über lokale, regionale und internationale Ereignisse berichtet. Online-Medien und soziale Netzwerke gewinnen zunehmend an Bedeutung, besonders bei der jüngeren Bevölkerung, die sich über Plattformen wie Facebook und Instagram vernetzt und aktuelle Informationen austauscht.

Guam als Ziel mikronesischer Migration

Seit den 1980ern – mit Inkrafttreten des Compact of Free Association (COFA) – ist Guam ein bedeutendes Ziel für Arbeits- und Lebensmigration aus den COFA-Staaten, insbesondere aus Chuuk. Viele Chuukesen ziehen auf die Insel, um bessere Ausbildungschancen, medizinische Versorgung und Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden. Damit machen sie heute einen signifikanten Anteil der nicht-indigenen Bevölkerung Guams aus; mit eigenen Communities, Sprachgruppen und kulturellen Netzwerken.


Ein Beispiel für diese Verbindungen ist Pwipwi Soulang Radio, ein Chuukesischsprachiger Radiosender, der aus Guam gesendet wird. Er überträgt religiöse und communitybezogene Inhalte und unterstützt die chuukesische Diaspora bei der Sprach- und Kulturbewahrung Daneben gibt es auf KUAM FM im Rahmen des Formats “One Micronesia Podcast” auch Inhalte, die sich gezielt an mikronesische Gruppen richten. Etwa ein Beitrag der Chuukese Women’s Association auf Guam.

Videos und weiterführende Links

📌Kinnetic Life: Guam 4K Drone Footage 2023 – Scenic Tropical Paradise Island. (YouTube, ca. 82 Min.) – Dieses eindrucksvolle Drohnenvideo bietet einen visuellen Rundflug über Guams atemberaubende Natur. Mit ruhiger Ambient-Musik unterlegt, zeigt es Highlights wie Umatac Bay, Cetti Falls, Fouha Rock und Mount Jumullong – alles aus der Vogelperspektive.

📌From the Battlefields: „The Japanese Occupation of Guam“ – A Forgotten Chapter of World War II“ (YouTube, ca. 16.30 Min.) – Der japanische Angriff auf Guam am 8. Dezember 1941, kurz nach Pearl Harbor. Zeitzeugen‑Interviews, Zeitdokumente und militärhistorische Analyse zeigen, wie Guam in den Krieg hineingezogen wurde und welche Folgen die Besatzung für die Inselbevölkerung hatte.

📌Guam Educational Telecommunications Corporation: War for Guam (YouTube, 56.40 Min) – Diese Reportage erzählt die Geschichte der Chamorro‑Bevölkerung während der japanischen Besatzung und beleuchtet ihren Beitrag zur Loyalität gegenüber den USA mit persönlichen Interviews und historischen Einblicken.


📌CandE Adventures: Guam Wildlife – Non-natives (YouTube, 11.30 Min) – Das Video bietet einen prägnanten Überblick über invasive Tierarten auf Guam, darunter die Monitorwarane, Riesenkröten und die braune Nachtbaumnatter. Ein anschauliches Beispiel für die Auswirkungen invasiver Arten auf Inselökosysteme.

Haben Sie Fragen, Hinweise oder eigene Erfahrungen mit Guam? Schreiben Sie uns. Mar Pacífico lebt vom Austausch.