Länderporträt: Nauru
Vom Phosphatreichtum zur existenziellen Herausforderung, kaum größer als ein kleiner Stadtbezirk, ohne Hauptstadt, aber mit großer Geschichte: Nauru ist ein Inselstaat der Extreme.
Flagge von Nauru:
Der blaue Hintergrund steht für den Pazifik, der gelbe Streifen symbolisiert den Äquator. Der weiße Stern mit zwölf Zacken markiert Naurus Lage knapp südlich des Äquators sowie die zwölf ursprünglichen Stämme der Insel.
Quelle: Wikimedia Commons (Public Domain)
📦 Infobox: Nauru
Name: Republik Nauru
Lage: Zentralpazifik, westlich von Kiribati
Einwohnerzahl: ca. 10.800 (Stand 2024)
Fläche: 21 km²
Staatsform: Republik mit parlamentarischem System
Hauptstadt: keine offizielle; Regierungssitz in Yaren
Währung: Australischer Dollar (AUD)
Sprachen: Englisch, Nauruisch
Besonderheiten: ehemals reich durch Phosphat; Offshore-Finanzplatz; Flüchtlingslager im Auftrag Australiens
Vom Phosphatboom zur fragilen Zukunft
Kaum größer als das Betriebsgelände des Frankfurter Flughafens und dennoch Schauplatz einer der radikalsten Auf- und Abstiege in der Geschichte unabhängiger Staaten: Nauru, die winzige Koralleninsel im Zentralpazifik, war einst einer der reichsten Staaten der Erde – gemessen am BIP je Einwohner. Heute steht Nauru vor massiven ökologischen Schäden, wirtschaftlicher Abhängigkeit und einer umstrittenen Rolle als Standort eines von Australien betriebenen Flüchtlingslagers.
Nauru in Kürze
Mit nur 21 Quadratkilometern ist Nauru der kleinste Inselstaat Ozeaniens und nach Fläche das drittkleinste Land der Welt. Rund 10.800 Menschen leben auf der ringförmigen Koralleninsel im Zentralpazifik. Einen offiziellen Hauptstadttitel gibt es nicht. Regierungssitz und wichtigste Verwaltungsgebäude befinden sich im Distrikt Yaren im Süden der Insel.
Nauru ist eine parlamentarische Republik mit einem präsidentiellen Regierungssystem. Die Bevölkerung ist überwiegend protestantisch; gesprochen werden Englisch und Nauruisch. Als Währung gilt der Australische Dollar (AUD). Nauru ist Mitglied der Vereinten Nationen, des Pacific Islands Forum und anderer regionaler Organisationen.
Vom Vogelmist zum Wohlstand
Alles beginnt mit Phosphat. Genauer gesagt: mit versteinertem Vogelkot. Über Jahrtausende sammelte sich das mineralreiche Gestein im Inneren der Insel, zurückgelassen von Seevögeln auf ihren Routen über den Pazifik. Der australische Erzsucher Albert Fuller Ellis entdeckte im Jahr 1900 Phosphatvorkommen auf der Pazifikinseln Nauru, die seit 1888 Teil des deutschen Kolonialreiches ist. Der Phosphatabbau begann bald: Die Briten kontrollieren den Abbau, die Deutschen kassieren die Dividende, die Nauruer verdienen zwar fast nichts an den Phosphatverkäufen, können aber ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen und müssen sich nicht um den Betrieb der Mine kümmern. Im Tagebau stellen südchinesische Kontraktarbeiter den Großteil der Arbeitskräfte, die in separaten Lagern leben.
Vom Völkerbundsmandat zur Unabhängigkeit
Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges endet das kurze deutsch-britische Nebeneinander auf Nauru. Australische Truppen besetzen die Insel, 1920 wird Nauru offiziell Mandatsgebiet unter britischer Oberhoheit. Die Verwaltung übernimmt Australien, die Erträge aus dem Phosphatabbau teilen sich Australien, Großbritannien und Neuseeland per Nauru Island Agreement (1919). Im Zweiten Weltkrieg besetzt Japan Nauru (1942–1945). Rund 1.200 Nauruer, beinahe Zweidrittel der damaligen Bevölkerung Naurus, werden gewaltsam auf das Chuuk-Atoll deportiert; mehr als ein Drittel überlebt nicht. Erst 1946 kehren die letzten 737 zurück. Nach dem Krieg bleibt Nauru unter australischer Treuhandverwaltung, bis es am 31. Januar 1968 unabhängig wird. Mit einer einzigartigen Ausgangslage: Der Inselstaat kontrolliert nun selbst das Phosphatgeschäft. In den 1970er- und 1980er-Jahren fließen Milliarden in einen staatlichen Wohlstandsfonds. Nauru investiert weltweit, betreibt eine eigene Fluglinie und plant ambitionierte Großprojekte, insbesondere in Australien. Doch mit dem Ende der Phosphatvorräte und etlichen Fehlinvestitionen folgt der wirtschaftliche Absturz. Aus einem der reichsten Inselstaaten der Welt wird ein Sanierungsfall.
Flüchtlingspolitik als Geschäftsmodell?
Nach dem wirtschaftlichen Kollaps der 1990er-Jahre sucht Nauru nach neuen Einnahmequellen und findet sie im Outsourcing australischer Asylpolitik. Seit den frühen 2000er-Jahren betreibt Australien ein umstrittenes Flüchtlingslager auf der Insel. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Haftbedingungen, die internationalen Standards nicht genügen. Für Nauru bedeutet das Abkommen zwar finanzielle Stabilität, aber auch diplomatischen Druck und internationalen Reputationsverlust. Im Jahr 2025 gerät das Land erneut in die Kritik: Berichten zufolge bietet Nauru seine Staatsbürgerschaft gegen hohe Summen zum Verkauf an, auch an Einzelpersonen aus autoritär regierten Staaten. Menschenrechtsgruppen warnen vor einem „Passhandel ohne Transparenz“, während die Regierung sich auf ihre nationale Souveränität beruft. Der internationale Ruf des Inselstaats bleibt damit eng verknüpft mit umstrittenen Einnahmequellen.
Alltag auf einer gezeichneten Insel
Das tägliche Leben konzentriert sich auf die Ringstraße, die die gesamte Küste umrundet. Sie ist rund 19 Kilometer lang, asphaltiert und in 20 bis 30 Minuten komplett zu befahren – der wichtigste Verkehrsweg der Insel. Das Inselinnere hingegen ist durch Jahrzehnte intensiven Phosphatabbaus weitgehend zerstört: teils unbewohnbar, vegetationslos, verwüstet.
Trotz der Herausforderungen, vom Klimawandel bis zur wirtschaftlichen Abhängigkeit, zeigt sich im nauruischen Alltag auch Widerstandsfähigkeit: familiärer Zusammenhalt, sportliche Erfolge auf regionaler Ebene und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit prägen das heutige Nauru ebenso wie die Schatten der Vergangenheit.
Einmal um die Insel: Naurus Ringstraße in 22 Minuten – Video auf YouTube.
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