Länderporträt: Tuvalu

Zwischen Tradition, Taifun und Taiwan – Tuvalu heute

Die Flagge Tuvalus zeigt den britischen Union Jack in der oberen linken Ecke auf hellblauem Hintergrund, ein Zeichen der historischen Bindung an das Commonwealth. Rechts unten befinden sich neun goldene Sterne, die die neun Inseln Tuvalus symbolisieren. Ihre Anordnung entspricht ungefähr der geografischen Lage der Inseln im Pazifik. Die helle Farbe des Hintergrunds steht für den Himmel und das Meer, zentrale Elemente des tuvaluischen Lebensraums.

📦 Infobox: Tuvalu

Staatsname: Tuvalu
Hauptstadt: Funafuti
Staatsform: Parlamentarische Monarchie im Commonwealth
Unabhängigkeit seit: 1. Oktober 1978

Einwohnerzahl: ca. 9.600 (Stand 2024)
Landfläche: ca. 26 km², Seegebiet 900.000 km²
Sprachen: Tuvaluisch, Englisch
Religion: Christlich (v. a. protestantisch)
Währung: Australischer Dollar (AUD)

Geografie: Klein, flach und maritim riesig

Tuvalu besteht aus neun Inseln – darunter drei Riffinseln und sechs Atolle – die sich über rund 600 Kilometer Länge im zentralen Pazifik verteilen. Heute sind alle neun Inseln bewohnt. Der Name „Tuvalu“ bedeutet jedoch „acht, die zusammenstehen“ und erinnert daran, dass ursprünglich nur acht der Inseln dauerhaft besiedelt waren. Niulakita, die südlichste Insel, wurde erst im 20. Jahrhundert kolonisiert. Das größte Atoll und zugleich Verwaltungszentrum ist Funafuti, wo sich auch der internationale Flughafen befindet – eine Multifunktionsfläche, die als Landebahn, Sportplatz und Alltagsstraße dient. Die höchste natürliche Erhebung Tuvalus liegt mit nur 4,6 Metern über dem Meeresspiegel auf der kleinen Insel Niulakita – weltweit ist nur der Inselstaat Malediven noch flacher. Tuvalu zählt daher zu den Ländern, die am stärksten von extremen Wetterereignissen und dem Meeresspiegelanstieg bedroht sind. Trotz seiner geringen Landfläche besitzt Tuvalu eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) von rund 900.000 Quadratkilometer, etwa so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen.

Lage von Tuvalu auf der Erde. Bild: Wikipedia Lizenz: CC BY 2.0
Karte der politischen Gliederung von Tuvalu. Bild: Wikipedia Lizenz: CC BY 2.0

Klimawandel und Taifune

Tuvalu ist besonders anfällig für tropische Stürme und deren Folgen: Sturmfluten, Küstenerosion und Brackwasserüberschwemmungen gefährden regelmäßig Infrastruktur und Landwirtschaft. Der Tropensturm Tino (2020) beschädigte weite Teile der Hauptinsel Funafuti. Der Klimawandel verschärft diese Risiken.

Geschichte in Kürze

Tuvalu war über Jahrhunderte von polynesischen Seefahrern besiedelt. Im 19. Jahrhundert geriet das Gebiet zunehmend in den Fokus christlicher Missionen, insbesondere aus Samoa und Großbritannien. Gleichzeitig fiel Tuvalu – wie viele pazifische Inseln – dem sogenannten Blackbirding zum Opfer: Der menschenverachtenden Praxis der gewaltsamen oder irreführenden Anwerbung von Arbeitskräften für Plantagen in Peru, Fidschi, Queensland oder Guatemala. Zahlreiche Tuvaluer wurden in dieser Zeit verschleppt, insbesondere Männer im arbeitsfähigen Alter. Die demografischen Auswirkungen auf einzelne Inseln waren massiv, ganze Gemeinschaften wurden dezimiert. Der Arbeitskräftehandel zwischen dem Südpazifik und den lateinamerikanischen oder australischen Kolonien ist heute nur selten Teil offizieller Geschichtsnarrative. Dabei war Tuvalu unmittelbar betroffen und trägt bis heute die Erinnerung an diesen oft vergessenen Teil der pazifischen Sklavengeschichte.
Ab 1892 bildeten die Inseln gemeinsam mit den heutigen Kiribati die britischen Gilbert- und Ellice-Inseln. Während des Zweiten Weltkriegs besetzten US-Truppen Teile des Archipels – insbesondere Funafuti – und errichteten Militärflugplätze, die teils bis heute genutzt werden.
Tuvalu wurde 1978 unabhängig. Bereits 1974 hatten sich die mehrheitlich polynesischen Ellice Islands (Tuvalu) per Referendum von den mikronesischen Gilbert Islands (heute Kiribati) getrennt. Die kulturellen Unterschiede, etwa Sprache und Sozialstruktur, sowie das Gefühl mangelnder Mitsprache in der Kolonialverwaltung führten zur Trennung. Tuvalu entschied sich bewusst für den eigenen Weg, als kleinster unabhängiger Staat im Commonwealth.

Religion und Kultur

Etwa 86 Prozent der Bevölkerung gehören der protestantischen Church of Tuvalu (Te Ekalesia Kelisiano Tuvalu) an. Sie ist die de facto Staatskirche und tief im gesellschaftlichen Gefüge verankert. Religion durchdringt das soziale Leben: Dorfversammlungen, Politik und Alltagsroutinen sind oft eng mit dem kirchlichen Kalender verwoben. Kleinere Gruppen gehören anderen christlichen Konfessionen wie den Seventh-Day Adventists oder der Brethren Church an. Traditionelle Strukturen, Familiennetzwerke und lokale Rituale prägen das Leben in den Dörfern, auch wenn viele Tuvaluer heute zeitweise im Ausland leben.

Medien und Öffentlichkeit: Facebook statt Fernsehsender

Tuvalus Medienlandschaft ist klein, aber lebendig und längst im digitalen Wandel. Die ehemals betriebene Regierungswebseite tuvalugovernment.tv ist mittlerweile offline. An ihre Stelle ist der Facebook-Kanal „Tuvalu Government Media“ getreten, der regelmäßig aktuelle Informationen verbreitet: Von politischen Entscheidungen über internationale Kooperationen bis hin zu lokalen Events. Die Plattform dient auch als digitale Fortsetzung der früheren „Fenui News“, dem offiziellen Newsletter der Regierung. Klassische Zeitungen oder unabhängige journalistische Formate sind im Inselstaat hingegen nicht präsent. Viele Informationen zirkulieren über Radio, Gemeindeversammlungen oder informelle Netzwerke.

Einnahmen: Mehr Meer als Land

Tuvalus wirtschaftliche Basis liegt weniger auf festem Boden als vielmehr im Wasser und im digitalen Raum. Eine der wichtigsten Einnahmequellen sind die Fischereilizenzen, die Tuvalu an internationale Flotten vergibt, vor allem für den Thunfischfang in seiner ausgedehnten AWZ. Ein weiteres lukratives Standbein bildet die Verpachtung der Länderdomain „.tv“. Aufgrund ihrer Assoziation mit Fernsehen und Streaming ist sie international begehrt. Unternehmen weltweit zahlen beträchtliche Summen für die Nutzung dieser digitalen Endung. Darüber hinaus ist Tuvalu in hohem Maß auf bilaterale Unterstützung und Klimahilfen angewiesen. Länder wie Australien, Neuseeland, die EU und insbesondere Taiwan leisten finanzielle und infrastrukturelle Hilfe, etwa beim Küstenschutz oder im Bildungsbereich. Nicht zu unterschätzen sind auch die Überweisungen der tuvaluischen Diaspora, die in Fidschi, Neuseeland oder Australien lebt und arbeitet. Sie sichern vielen Familien das tägliche Auskommen und tragen damit zur wirtschaftlichen Stabilität des Landes bei.

Außenpolitik: Prinzipientreu mit Taiwan

Tuvalu gehört zu den wenigen Staaten weltweit, die diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhalten. Trotz starker Bemühungen der Volksrepublik China, diese Partnerschaft zu beenden. Die Regierung in Funafuti hält jedoch an Taiwan fest, auch aus Souveränitätsgründen und Loyalität. Gleichzeitig engagiert sich Tuvalu stark in internationalen Foren wie dem Pazifik-Forum oder den Vereinten Nationen. Besonders lautstark, wenn es um Klimagerechtigkeit, Umsiedlung und Menschenrechte geht.

Sport, Spaß und eine Landebahn als Spielfeld

Cricket und der pazifische Mannschaftssport Te Ano zählen zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen. Te Ano ähnelt dem Volleyball, wird jedoch mit einem schwereren Ball aus gewickelten Pandanusfasern gespielt. Zwei Teams schlagen sich den Ball über eine zentrale Linie zu – mit bloßen Händen, Kraft und Geschicklichkeit. Einst Teil festlicher Wettbewerbe, lebt das Spiel heute vor allem als kulturelle Tradition weiter. Da es auf Fongafale, der bevölkerungsreichsten Insel des Atolls Funafutis, kaum Freiflächen gibt, wird häufig auf der Landebahn des Funafuti International Airport gespielt. Einer von Kindern, Hunden und Picknickgruppen belebten Betonpiste, die außerhalb der Flugzeiten zum sozialen Treffpunkt der Insel wird.

Videos und weiterführende Links

📌 The Sport of Te Ano
Ein kurzer Einblick in Tuvalus traditionellen Mannschaftssport, gefilmt auf Funafuti.
▶️ Jetzt ansehen auf YouTube (3 Min.)
📌 Geography Now! – Tuvalu
Ein unterhaltsames, englischsprachiges Porträt über Tuvalu: von Geografie über Geschichte bis hin zu Fun Facts.
▶️ Zum Video auf YouTube (33 Min.)
📌 Tuvalu bei der UN – Klimarede im Wasser
Der damalige Außenminister Simon Kofe spricht mit den Füßen im Meer – ein symbolisches Statement zur Bedrohung durch den Klimawandel.
▶️ Zum Videoausschnitt (1 Min.) auf UN-Kanal
📌Schatzinseln im Pazifik – Leben mit dem Ozean (2/2)
Ein deutschsprachiges Reportage-Team besucht auf seiner Reise quer durch den Pazifik auch Tuvalu und stellt fest, dass – entgegen vieler dramatischer Klimawarnungen – viele Bewohner nicht von äußerer Bedrohung sprechen, sondern alltagspraktische Herausforderungen wie Überflutungen, Küstenerosion und Flugabbrüche für deutlich relevanter halten.
▶️ Zum Video in der Mediathek (11:25 – 23:00 Min.)

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