Kwajalein: Megaatoll zwischen Militärbasis und Alltagsleben
Kwajalein ist das größte Atoll der Marshallinseln und ein Ort voller Gegensätze. Während auf der kleinen Insel Ebeye Tausende Menschen auf engem Raum leben, betreiben die USA auf der Nachbarinsel eine der wichtigsten Raketen-Testanlagen des Pazifiks. Die Geschichte des Atolls ist geprägt von Arbeitsmigration und einem Nebeneinander von militärischer Infrastruktur und zivilem Alltag.

Das größte Atoll der Republik
Das Kwajalein-Atoll erstreckt sich über einen Umfang von rund 283 Kilometern und umfasst die größte geschlossene Lagune der Welt. Es liegt in der Ralik-Kette im Westen der Marshallinseln und besteht aus über 90 Inseln, von denen nur wenige dauerhaft bewohnt sind. Neben der Hauptinsel Kwajalein Island ist vor allem Ebeye aufgrund ihrer Bevölkerung, Geschichte und sozialen Herausforderungen von Bedeutung.

Ebeye: Enge Lebenswelt mit Geschichte
Ebeye ist beinahe so groß wie die Gesamtfläche des Oberhausener Einkaufszentrums CentrO, doch leben dort etwa 10.000 Menschen. Damit zählt die Insel zu den am dichtesten besiedelten Orten weltweit. Viele Bewohnerinnen und Bewohner sind Nachfahren von Menschen, die infolge der nuklearen Testreihen auf Bikini und Enewetak von ihren Heimatinseln umgesiedelt wurden.
Die Lebensbedingungen gelten seit Jahrzehnten als schwierig: begrenzter Wohnraum, eingeschränkte Infrastruktur, Arbeitslosigkeit und ein hohes Bevölkerungswachstum prägen die Insel. Ein Großteil der Bevölkerung ist unter 18 Jahre alt. Der Begriff „Slum des Pazifiks“, der in den 1990er-Jahren aufkam, spiegelt dabei vor allem internationale Wahrnehmungen wider – die Perspektive der Bewohnerinnen und Bewohner selbst ist differenzierter.
Viele Menschen auf Ebeye arbeiten als Pendler auf der benachbarten US-Militärinsel Kwajalein Island, etwa als Reinigungskräfte, Köche, Sicherheitspersonal oder im technischen Dienst. Es besteht ein täglicher Fährverkehr, der Zugang zu Kwajalein Island bleibt dennoch streng reguliert.

Die von der US-Armee betriebene Passagierfähre ist für die Öffentlichkeit geöffnet und kostenlos. Bildquelle: https://www.flickr.com/photos/asiandevelopmentbank/49551232931/in/photostream/
Militärstandort und Raumfahrtgeschichte
Kwajalein Island war im Zweiten Weltkrieg ein strategisch wichtiger japanischer Außenposten. Im Februar 1944 kam es hier zu heftigen Kämpfen, als US-Truppen das Atoll im Rahmen der „Operation Flintlock“ einnahmen – ein entscheidender Schritt der amerikanischen „Inselhopping“-Strategie im Pazifik. Die Schlacht um Kwajalein gilt als eine der verlustreicheren Invasionen im zentralen Pazifik.
Nach dem Krieg nutzten die USA Kwajalein als strategischen Stützpunkt im Pazifik. Während auf den nördlich gelegenen Atollen Bikini und Enewetak – jeweils mehrere Hundert Kilometer entfernt – zwischen 1946 und 1958 über 60 Atomwaffentests stattfanden, errichteten die US-Streitkräfte auf der Hauptinsel des Kwajalein-Atolls eine permanente Militärbasis. In der Lagune wurde später auch der deutsche Schwere Kreuzer Prinz Eugen, der nach Kriegsende von den USA übernommen worden war, nachdem er die Atomtests auf Bikini nur knapp überstanden hatte hier versenkt. Noch heute ist das Wrack unter Wasser erhalten und ein Ziel für Forschungstauchgänge.

Heute befindet sich auf Kwajalein die Ronald Reagan Ballistic Missile Defense Test Site, eine zentrale Testanlage für das Raketenabwehrsystem der USA. Der Standort dient auch zur Überwachung von Satellitenbahnen und war zwischen 2006 und 2009 Startplatz für die ersten Raketen des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX (Falcon 1). Die militärische Präsenz beeinflusst das Leben auf dem gesamten Atoll. Für einige Bewohner bietet sie Einkommensmöglichkeiten, andere kritisieren den eingeschränkten Zugang zu traditionellem Land, Umweltfragen oder das Ungleichgewicht in der Infrastrukturversorgung zwischen den Inseln.
Engagement und Perspektiven
Trotz der Herausforderungen gibt es auf Ebeye zivilgesellschaftliches Engagement und zahlreiche Initiativen: Von Kirchen über Jugendgruppen bis hin zu Sportprojekten. Basketball spielt dabei eine große Rolle: Die Sportart hat auf der Insel eine hohe Bedeutung, es gab mehrfach internationale Spendenaktionen zur Förderung junger Spielerinnen und Spieler.
Ebeye ist nicht nur Durchgangsort oder Anhängsel eines Militärkomplexes, sondern auch Lebensraum, Herkunftsort und Zentrum marshallischer Identität für viele seiner Bewohner mit eigenen sozialen Strukturen, Familiennetzwerken und kulturellem Leben.
Videos über Kwajalein Islands und Ebeye
📌 Ebeye Island Drone Tour – Marshall Islands
Ein kurzer Drohnenflug über die dicht besiedelte Insel Ebeye im Kwajalein-Atoll – beeindruckende Luftaufnahmen zwischen Meer, Häusern und Alltag auf engstem Raum.
▶️ Jetzt ansehen auf YouTube (5 Min., ohne Sprache)
https://www.youtube.com/watch?v=xlmgX7RR-NQ
📌 Life on Ebeye – The Most Densely Populated Island in the Pacific
Ein kurzer Dokumentarfilm über den Alltag auf Ebeye: beengte Lebensverhältnisse, soziale Herausforderungen und Stimmen der Bewohnerinnen und Bewohner – mitten im Kwajalein-Atoll.
▶️ Jetzt ansehen auf YouTube (5 Min., englisch)
https://www.youtube.com/watch?v=hHLBI20IOxo
📌 The Island of Violent Basketball
Ein ungewöhnlicher Einblick in den Basketball-Alltag auf Ebeye – rau, leidenschaftlich und fest im Gemeinschaftsleben verankert. Sport als Ventil inmitten von Enge und Perspektivsuche.
▶️ Jetzt ansehen auf YouTube (7.30 Min., englisch)
https://www.youtube.com/watch?v=dy1UBZj4yHY