Zählen für die Zukunft: Wie Guam seine letzten Flughunde schützt
Einblicke in den Bat Count 2025 und die bedrohte Welt des Marianen-Flughunds.

Wenn am Abendhimmel über Guam große Schatten zwischen den Baumkronen gleiten, beginnt ein stilles Schauspiel: die nächtlichen Flüge der Marianen-Flughunde (Pteropus mariannus), auch „Flying Foxes“ genannt. Im Juni 2025 fand auf Guam erneut der sogenannte Island-Wide Bat Count statt – eine großangelegte Zählaktion unter Leitung des 36th Civil Engineer Squadron (CES) der Andersen Air Force Base. Ziel: herausfinden, wie viele dieser gefährdeten Tiere noch leben und wie ihr Bestand sich entwickelt.
📌 Infobox: Der Marianen-Flughund (Pteropus mariannus)
- Verbreitung: Guam, Rota, Tinian, Saipan
- Status: Bedroht (IUCN: Endangered)
- Gewicht: ca. 270 – 500 g
- Spannweite: bis zu 32 cm
- Ernährung: Früchte, Nektar, Blüten – u. a. Pandanus, Brotfrucht, Feigen
- Bedrohungen: Lebensraumverlust, Jagd, invasive Arten, Militärinfrastruktur
- Schutzmaßnahmen: Jagdverbote, Monitoring (z. B. Bat Count), Schutzgebiete
Ein Zensus mit Flügeln
Mit Taschenlampen, Notizblöcken und Nachtsichtgeräten bestückt, positionierten sich die Teams an 17 Beobachtungspunkten auf der gesamten Insel. Jede Sichtung wird dokumentiert: Flugrichtung, Anzahl, Verhalten. Auch lokale NGOs und zivile Helfer und Helferinnen beteiligen sich an der Zählung, denn der Flughund hat auf Guam mehr als nur ökologische Bedeutung – er ist Teil der kulturellen Identität.
Laut Angaben der US-Luftwaffe dient die Zählung dazu, Veränderungen im Bestand frühzeitig zu erkennen und wissenschaftlich fundierte Schutzmaßnahmen zu ermöglichen. Die gemeinsame Initiative von Militär, Umweltexperten und Zivilgesellschaft wird von vielen als Schritt hin zu einem besseren Gleichgewicht zwischen militärischer Nutzung und ökologischer Verantwortung verstanden.
Der Marianen-Flughund: Gärtner des Waldes
Der Marianen-Flughund ist ein sogenannter „Seed Disperser“ – ein Samenverbreiter –, der viele endemische Pflanzenarten auf Guam, Rota, Tinian und Saipan durch seine Nahrungsauswahl verbreitet. Besonders bei der Regeneration tropischer Wälder nach Stürmen oder Rodungen spielt er eine zentrale Rolle. Ohne ihn fehlen vielen Bäumen – darunter auch Pandanus und Brotfruchtbaum – wichtige Bestäubungspartner und Samenverteiler.
Gleichzeitig leidet die Population massiv unter Lebensraumverlust, illegaler Jagd und dem Eindringen invasiver Arten, etwa der Braunen Nachtbaumnatter, die Flughundjunge aus ihren Schlafbäumen raubt. In den letzten Jahrzehnten ist der Bestand dramatisch geschrumpft. Der IUCN-Status lautet inzwischen: „Endangered“.
Zwischen Tradition, Jagd und Schutz
In der Chamorro-Kultur gelten Flughunde als Delikatesse. Traditionell wurden sie bei festlichen Anlässen serviert. Auch heute noch gibt es Kontroversen über legale Jagdquoten, Wilderei und den Export auf die Philippinen. Guam hatte zeitweise eine vollständige Jagdsperre verhängt, doch illegaler Handel bleibt ein Problem.
Hinzu kommt ein geopolitischer Konflikt: Guam ist ein strategischer Außenposten der USA im Pazifik, mit mehreren großen Militärstützpunkten. Diese Infrastruktur führt zu Lichtverschmutzung, Flugverkehr und Flächenverlust – direkte Belastungen für die sensiblen Tiere. Einige Schutzgebiete, wie das Ritidian Unit, Guam National Wildlife Refuge, bieten Rückzugsräume, doch sie reichen oft nicht aus.
Hoffnung durch Wissenschaft und Zusammenarbeit
Der Bat Count 2025 ist mehr als eine Zählung: Er ist ein Symbol für interinstitutionelle Kooperation. Militär, Umweltschutzbehörden und Zivilgesellschaft arbeiten gemeinsam daran, einen bedrohten Teil der pazifischen Tierwelt zu bewahren.
Ein Hoffnungsschimmer: In einigen Gebieten scheint sich die Population leicht zu erholen. Möglicherweise durch Aufforstungsprojekte und gezielte Bildungsarbeit. Ohne langfristige Schutzstrategien droht dem Marianen-Flughund ein ähnliches Schicksal wie seinem nahen Verwandten, dem Guam-Flughund; jener ist bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts ausgestorben und gilt heute als Symbol für das stille Verschwinden pazifischer Artenvielfalt.