Zwischen Peking und Taipeh: Der stille Kampf um den Pazifik

Zwischen diplomatischem Wettstreit und existenzieller Bedrohung kämpfen Taiwan und China um Einfluss in der Pazifikregion mit weitreichenden Folgen für die kleinen Inselstaaten.


Präsidentin Tsai Ing-wen bei ihrem Besuch auf den Marshallinseln (Oktober 2017). Ein Symbol taiwanischer Solidarität und diplomatischer Präsenz in einem der wenigen noch verbündeten Pazifikstaaten. Bildquelle: 總統府 Lizenz: CC BY-SA 2.0

Einführung: Mehr als nur ein diplomatischer Wettstreit

Zwischen den verstreuten Inselstaaten des Pazifik hat sich ein geopolitisches Kräftemessen etabliert, das in den Weltmedien oft übersehen wird: China und Taiwan ringen um diplomatische Anerkennung, Einfluss und Sichtbarkeit. Für die betroffenen Staaten geht es dabei nicht nur um außenpolitische Ausrichtung, sondern auch um konkrete Entwicklungszusagen und die Frage, wer im Pazifik den Ton angibt.

Dabei steht für Taiwan weit mehr auf dem Spiel als internationale Sichtbarkeit: Die selbstverwaltete Demokratie sieht sich dauerhaft von einer gewaltsamen Annexion durch China bedroht. Die pazifischen Inselstaaten gewinnen dadurch strategisch an Bedeutung – für Taiwan als diplomatische Partner, für China als potenzielle Hebel zur Isolation Taiwans. Zugleich müssen die Staaten der Region zwischen wirtschaftlichem Nutzen und politischer Autonomie abwägen, unter dem wachsenden Einfluss Pekings und der anhaltenden Solidarität Taipehs.

Taiwan im Überlebenskampf: Bedeutung der pazifischen Verbündeten

Taiwan betrachtet die Anerkennung durch pazifische Inselstaaten als Schlüssel zur Wahrung seiner internationalen Legitimität. Jeder Verlust bedeutet mehr Isolation und erhöht den außenpolitischen Druck. Peking verfolgt hingegen konsequent das Ziel, Taiwan, notfalls mit Gewalt, in das „Mutterland“ einzugliedern.

In diesem Kontext wirken pazifische Staaten für Taiwan nicht nur symbolisch: Sie bieten Rückhalt in internationalen Gremien wie den Vereinten Nationen oder dem Pacific Islands Forum. Diese Partnerschaften dienen beiden Seiten: Taiwan sichert sich politische Sichtbarkeit, die Inselstaaten erhalten Unterstützung in Entwicklung, Gesundheit und Bildung.

China und der Druck auf die Inselstaaten

China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, deren Eingliederung in das „Vaterland“ unverhandelbar ist. Die diplomatische Isolierung Taiwans ist für Peking ein zentrales außenpolitisches Ziel. Deshalb setzt China die pazifischen Staaten mit finanziellen Anreizen, Investitionen und Infrastrukturprojekten massiv unter Druck. Der Seitenwechsel von Ländern wie Kiribati, den Salomonen oder Nauru zeigt, wie erfolgreich diese Strategie sein kann.

  • Kiribati brach 2019 die Beziehungen zu Taiwan ab und erkannte stattdessen China an, nachdem Peking umfangreiche Investitionen in Aussicht stellte.
  • Nauru kehrte 2024 erneut zur Volksrepublik China zurück, nach einem vorherigen Wechsel zu Peking im Jahr 2002 und der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Taiwan 2005.
  • Die Salomonen vollzogen 2019 den Seitenwechsel, begleitet von umfassenden Zusagen im Bereich Infrastruktur, Gesundheitswesen und Sicherheitskooperation.

Dieser Druck stellt die kleinen Inselstaaten vor schwierige Entscheidungen: zwischen dem Drang, wirtschaftlich zu profitieren, und dem Wunsch, politisch unabhängig zu bleiben. Viele Regierungen versuchen, den Spagat zwischen beiden Mächten zu meistern – oft auf Kosten langfristiger Stabilität und Autonomie. Stand 2025 erkennen in der Pazifikregion nur noch Palau, Tuvalu und die Marshallinseln Taiwan offiziell als souveränen Staat an.

Konkrete Unterstützung: So zeigt sich der Einfluss vor Ort

China fördert vor Ort vor allem den Ausbau von Infrastruktur, etwa den Bau von Straßen, Häfen, Regierungsgebäuden, Krankenhäusern und Sportstätten. Auch der Ausbau digitaler Netzwerke und Telekommunikationsinfrastruktur ist Teil der chinesischen Engagements. Darüber hinaus bietet China Kredite, die oft an politische Bedingungen geknüpft sind.

Taiwan setzt verstärkt auf gezielte Entwicklungshilfe, Gesundheitsprojekte, Bildung und kulturellen Austausch. So entsendet Taiwan medizinische Teams in viele pazifische Partnerstaaten und fördert den Ausbau von Schulen sowie Ausbildungsprogrammen. Lokale Eliten und zivilgesellschaftliche Gruppen werden gezielt einbezogen, um langfristige Bindungen zu schaffen.

Das St. George Government Building in Nuku’alofa, Tonga, errichtet mit chinesischer Förderhilfe. Es beherbergt u. a. das Büro des Premierministers, das Finanzministerium und das Außenministerium. Bildquelle: Nick Thompson. Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Rolle der USA und die größere geopolitische Dimension

Die Rivalität im Pazifik richtet sich nicht nur zwischen China und Taiwan, sondern berührt auch zentrale Interessen der USA und ihrer Verbündeten. Die Vereinigten Staaten sehen den Pazifik als strategisch entscheidende Region zur Wahrung ihrer globalen Machtposition und als Pufferzone gegen den Einfluss Chinas. Das Engagement Pekings wird daher mit Sorge betrachtet, zumal China in den letzten Jahren seine militärische Präsenz im Pazifik ausgebaut hat, etwa mit Stützpunkten oder Lieferungen von militärischer Ausrüstung an befreundete Staaten.

Die USA unterstützen Taiwan indirekt durch diplomatische Rückendeckung und militärische Kooperationen, ohne jedoch formelle Beziehungen zu unterhalten. Zugleich arbeiten die USA mit Inselstaaten zusammen, um deren Sicherheit zu gewährleisten, oft in enger Abstimmung mit Australien und Neuseeland. Der pazifische Raum wird damit zu einem zentralen Schauplatz für den Wettbewerb zwischen den Großmächten.

Langfristige Bedeutung für die Region

Der Verlust weiterer taiwanischer Partner könnte die geopolitische Balance im Pazifik erheblich verschieben und Chinas Einfluss festigen. Für Taiwan hingegen bedeutet es eine Zunahme der Isolation und damit eine größere Verwundbarkeit gegenüber militärischem und diplomatischem Druck. Die kleinen Inselstaaten geraten so zunehmend ins Zentrum eines globalen Konflikts, der weit über ihre Grenzen hinausreicht, mit tiefgreifenden Folgen für Frieden, Entwicklung und regionale Zusammenarbeit.