Tonga
Das Königreich der 171 Inseln

📦 Infobox: Tonga
Amtssprachen: Tongaisch, Englisch
Staatsform: Konstitutionelle Monarchie
Hauptstadt: Nukuʻalofa (ca. 25.000 Einwohner)
Einwohnerzahl: ca. 105.000
Währung: Paʻanga (TOP)
Unabhängig seit: Nie kolonisiert, britisches Protektorat 1900–1970
UNO-Mitglied seit: 1999
Geografie
Tonga, das „Freie Königreich“ im Südpazifik, umfasst 171 Inseln, von denen rund 40 bewohnt sind. Der Archipel gliedert sich in drei Hauptgruppen: Tongatapu, Haʻapai und Vavaʻu. Die Inseln sind vulkanischen Ursprungs, und Tonga liegt in einer der seismisch aktivsten Regionen der Erde.
Ein einschneidendes Ereignis war der Ausbruch des Unterseevulkans Hunga Tonga-Hunga Haʻapai im Januar 2022. Er löste eine gewaltige Explosion aus, die weltweit messbar war, einen Tsunami auslöste und Tonga schwer traf. Die Kommunikationsinfrastruktur war tagelang lahmgelegt, die Schäden immens – ein Mahnmal für die Verwundbarkeit des Inselstaats gegenüber Naturkatastrophen.


Geschichte
Tonga gilt als das einzige pazifische Land, das nie vollständig kolonisiert wurde. Seine Häuptlingsreiche standen schon im 10.–13. Jahrhundert in einem maritimen Netzwerk, das weit nach Samoa, Fidschi und sogar nach Niue und Uvea (Wallis) reichte. Wegen ihrer weiten Seefahrten werden die Tongans bisweilen als die „Wikinger des Südpazifiks“ bezeichnet.
Im 19. Jahrhundert wurde unter König George Tupou I. die moderne tonganische Monarchie gegründet. Missionare führten das Christentum ein und Tonga wurde 1875 mit einer Verfassung zu einer konstitutionellen Monarchie. Bereits 1876 unterzeichneten Tonga und das Deutsche Reich einen Freundschaftsvertrag, der Handel, Schutz und Zusammenarbeit regelte, ohne die Unabhängigkeit Tongas zu beeinträchtigen.
Im Jahr 1900 trat Tonga unter britischen Schutz, blieb aber formal unabhängig – eine Eigenständigkeit, die Tonga von anderen Kolonien unterschied.
Während des Ersten Weltkriegs beteiligte sich Tonga mit freiwilligen Kämpfern auf Seiten des britischen Empires. Insgesamt nahmen rund 91 Tongalesen teil, die Zahl variiert je nach Quelle leicht (zwischen 90 und 94). Davon dienten 62 in der New Zealand Expeditionary Force, 10 in australischen Einheiten und 15 im Māori-Bataillon. Die Einsätze führten sie vor allem nach Europa und in den Nahen Osten, wo einige an Kampfhandlungen oder Krankheiten starben. Trotz ihres Beitrags blieb Tonga weitgehend abseits der direkten Kriegsschauplätze im Pazifik.
Im Zweiten Weltkrieg rückte Tonga stärker ins Zentrum der Pazifikfront. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor 1941 stationierten die USA und Neuseeland mehrere tausend Soldaten auf Tongatapu und Vavaʻu, um mögliche japanische Angriffe abzuwehren. Tonga stellte zudem selbst eine kleine Truppe zur Küstenverteidigung auf. Die Präsenz der alliierten Streitkräfte brachte dem Inselreich erstmals moderne Infrastruktur wie Straßen, Lagerhäuser und Kommunikationsanlagen, aber auch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen.
Am 4. Juni 1970 erlangte Tonga volle Souveränität. Das Königreich blieb eine konstitutionelle Monarchie, wobei die Macht stark beim König und beim Adel lag. Im November 2006 kam es in Nukuʻalofa zu schweren Unruhen. Hintergrund war die Frustration über Korruption, ökonomische Stagnation und politische Blockaden: Die Opposition forderte eine stärkere Demokratisierung, während wirtschaftliche Missstände durch ausländische Dominanz, u.a. chinesische Geschäftsleute im Einzelhandel, soziale Spannungen anheizten. Die Proteste schlugen in Plünderungen um, bei denen zahlreiche chinesische Läden zerstört wurden. Hier mischten sich antikoloniale und rassistische Feindseligkeiten mit dem Ruf nach Demokratie.
Politik und Religion
Tonga ist die einzige noch bestehende Monarchie im Südpazifik. Der König genießt hohes Ansehen, auch wenn Reformen seit 2010 das Parlament demokratischer machten.
Die Gesellschaft ist stark religiös geprägt: Über 95 Prozent der Bevölkerung sind Christen. Die Freie Wesleyanische Kirche ist die größte Denomination, daneben gibt es Katholiken, Methodisten und Adventisten. Die Mormonen haben in Tonga einen besonders starken Einfluss. Prozentual ist Tonga weltweit eines der mormonischsten Länder.
Eine Besonderheit ist der strikte Sonntag: Geschäfte, Sport und sogar Flüge sind offiziell verboten. Dies geht auf das Wirken der Missionare zurück, die den Sabbat zur unantastbaren Säule der tonganischen Gesellschaft machten.
Sport, Kultur und Gesellschaft
Rugby Union ist Nationalsport in Tonga. Die Nationalmannschaft, die ʻIkale Tahi („Seeadler“), tritt vor Spielen mit dem traditionellen Sipi Tau auf – einem kraftvollen Kriegstanz, der Stärke und Zusammenhalt symbolisiert. Tanz, Gesang, die kunstvolle Tapa-Herstellung sowie königliche Zeremonien sind weitere zentrale kulturelle Ankerpunkte des Königreichs. Welche zentrale Rolle Rugby für Tonga und die Nachbarstaaten spielt, zeigt der Beitrag Rugby im Pazifik – mehr als nur ein Spiel.
Tonga hat 2011 die Zeitzone gewechselt, um einen Kalendertag „vorzuziehen“ und wirtschaftlich näher an Australien und Neuseeland zu liegen. Nach dem Tod von König Tupou IV. im Jahr 2006 trug die Nation offiziell ein Jahr lang Schwarz, als Zeichen der Trauer. Trotz Reformen und gelegentlicher Kritik genießt die Monarchie weiterhin große Popularität.
Bereits im 19. und frühen 20. Jahrhundert ließen sich einige deutsche Einwanderer auf den Inseln nieder, vor allem als Händler, Handwerker oder Plantagenbesitzer. Sie trugen zur wirtschaftlichen Entwicklung bei und hinterließen Spuren in Handel, Architektur und teilweise in Familienlinien.
Medien und Presse
Die Medienlandschaft Tongas ist klein, aber lebendig. Neben Radiostationen und Zeitungen prägen Online-Portale wie Matangi Tonga die öffentliche Debatte. Über Jahrzehnte stand die Pressefreiheit stark unter Druck: In den 1990er- und frühen 2000er-Jahren wurden kritische Journalisten schikaniert und Redaktionen zensiert. Mit den politischen Reformen seit 2010 verbesserte sich die Lage zwar, doch Einschränkungen bestehen fort.
Internationale Organisationen wie Reporter ohne Grenzen weisen Tonga regelmäßig einen Platz im Mittelfeld der weltweiten Pressefreiheitsrankings zu. Die Verfassung garantiert zwar Pressefreiheit, doch ein 2020 verabschiedetes Mediengesetz wird von Kritikern als Rückschritt gesehen, auch wenn die Regierung dies bestreitet. Zudem sind Medienhäuser finanziell stark von der Regierung abhängig, da diese ein zentraler Werbekunde ist. Als 2020 drei Rundfunkjournalisten wegen angeblicher Voreingenommenheit suspendiert wurden, löste dies in der Branche Furcht vor politischem Druck aus.
Gleichzeitig bleiben Radio und soziale Medien entscheidend, um entlegene Inseln zu erreichen und die tonganische Diaspora einzubinden. So steht die Presse im Königreich zwischen verfassungsrechtlich garantierter Freiheit, ökonomischer Abhängigkeit und politischer Einflussnahme.
Wirtschaft und Abhängigkeiten
Die Wirtschaft Tongas ist klein, stark von Überweisungen der Diaspora (vor allem aus Neuseeland, Australien und den USA) und von Landwirtschaft (v.a. Kürbisexport nach Japan) abhängig.
Zunehmend prägend ist die finanzielle Einflussnahme Chinas. Kredite aus Peking halfen, Infrastruktur aufzubauen, führten jedoch auch zu einer hohen Verschuldung. Diese Abhängigkeit erzeugt innenpolitische Spannungen und geopolitische Debatten.
Militär und Sicherheit
Tonga unterhält mit rund 500 Mann eine der kleinsten Streitkräfte der Welt. Die Tonga Defence Services bestehen aus einem kleinen Heer, einer Marine mit einigen Patrouillenbooten und einer Ehrenwache. International beteiligte sich Tonga überraschend aktiv an Auslandseinsätzen – etwa in Irak und Afghanistan, wo tonganische Soldaten an der Seite westlicher Verbündeter eingesetzt waren.
Gesellschaftliche Herausforderungen
Ein großes Problem ist die hohe Fettleibigkeitsrate: Über zwei Drittel der Bevölkerung sind übergewichtig, bedingt durch Ernährungsumstellungen (importierte, stark verarbeitete Nahrungsmittel) und Bewegungsmangel. Tonga zählt weltweit zu den Ländern mit den höchsten Diabetesraten.
Eine kulturelle Besonderheit ist der traditionelle Schildkrötenverzehr: Früher galten Meeresschildkröten als Festtagsdelikatesse der Häuptlinge. Heute ist ihr Fang weitgehend verboten, dennoch spielt die Schildkröte weiterhin eine Rolle im kulturellen Gedächtnis.
Ein Königreich im Wandel
Tonga ist ein Land der Kontraste: ein Königreich mit stolzer Tradition, das nie ganz kolonisiert wurde, doch im 21. Jahrhundert mit Abwanderung, Schulden und Naturkatastrophen ringt. Zwischen strenger Religion, globaler Abhängigkeit und monarchischer Stabilität sucht Tonga seinen Platz und bleibt dabei eines der faszinierendsten Länder Ozeaniens.
Videos und Reportagen über Tonga
📌 Unterwegs im Königreich Tonga (rbb, ca. 25 min, Stand: 25.08.2024)
Radiobeitrag mit tiefgehenden Einblicken in Gesellschaft, Alltag und Kultur Tongas. Ideal, um das Königreich im Südpazifik aktuell und anschaulich kennenzulernen.
📌 Geography Now! TONGA (YouTube, ca. 28 min, 09.06.2022)
Kurzes, unterhaltsames Video über Tonga mit Überblick zu Geografie, Kultur, Geschichte, Rugby und der Monarchie. Ideal für einen schnellen Einstieg ins Königreich im Südpazifik.
📌 Tonga’s royals: Inside the Pacific’s last ruling monarchy (ABC News In-depth, ca. 8 min, 01.11.2024)
Videoeinblick in die tongaische Monarchie, ihre Geschichte, das heutige politische und gesellschaftliche Wirken der Königsfamilie und ihre zentrale Rolle im Königreich. Ideal, um die Monarchie Tongas anschaulich zu verstehen.
📌 Hunga Tonga-Hunga Ha’apai – Die gewaltigste Eruption der Moderne (ARTE, 53 min, 17.07.2025)
Dokumentation über den Ausbruch des Unterseevulkans Hunga Tonga-Hunga Ha’apai, der am 15. Januar 2022 mit einer Explosion von über 60 Megatonnen TNT die stärkste jemals gemessene Eruption auslöste. Die Sendung beleuchtet Ursachen, Auswirkungen und die weltweiten Folgen dieses Naturereignisses.
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