Commonwealth in der Klemme: Chinas Griff nach den Nördlichen Marianen

Der überraschende Tod von Gouverneur Arnold Palacios wirft neue Fragen auf. Die Nördlichen Marianen geraten zunehmend in den Fokus chinesischer Machtinteressen.


Arnold Indalecio Palacios (22. August 1955 – 23. Juli 2025) war seit 2019 der 12. Vizegouverneur der Nördlichen Marianen. Zuvor vertrat er Saipan im Senat der Nördlichen Marianen. Er war Mitglied der Republikanischen Partei. Fotolizenz: CC BY 4.0 DEED

Der plötzliche Tod eines unbequemen Gouverneurs

Am 17. Juli 2025 verlor das Commonwealth der Nördlichen Marianen (CNMI) seinen amtierenden Gouverneur Arnold Palacios, offiziell an einem plötzlichen Herzinfarkt. Doch im territorialen US-Außenposten im Pazifik, rund 2.500 Kilometer östlich von China, ist nichts mehr eindeutig. Denn Palacios war kein gewöhnlicher Amtsinhaber, er war der wohl lauteste Kritiker des chinesischen Einflusses auf den Marianen und einer der letzten, der versuchte, ihm politisch etwas entgegenzusetzen.

Ein Gouverneur mit unbequemen Fragen

Noch im April 2025 hatte Palacios einen öffentlichen Brief an Bundesbehörden geschrieben. Darin forderte er eine umfassende Untersuchung zu chinesischen Einflussoperationen – insbesondere rund um das Skandal-Casino „Imperial Palace“ auf Saipan, ein Milliardenprojekt mit dubiosen Investoren und undurchsichtigen Geldflüssen. Er sprach von „erheblichen Beweisen“ für Korruption und äußerte die Bereitschaft, dem FBI belastende Dokumente zu übergeben. Wenige Wochen später war er tot.

Vom Casino zum geopolitischen Risiko: Das Scheitern von Imperial Palace

Was 2014 als Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung begann, wurde bald zum Sinnbild für Korruption, geopolitische Einflussnahme und politische Lähmung: Das Mega-Casino Imperial Palace auf Saipan, finanziert mit chinesischem Kapital, versprach Tausende Arbeitsplätze und milliardenschwere Investitionen. Hinter der Fassade lauerten allerdings dubiose Geschäftsverbindungen, unbezahlte Arbeiter, Geldwäschevorwürfe und schließlich FBI-Ermittlungen.

Während US-Behörden spät reagierten, warnte der spätere Gouverneur Arnold Palacios eindringlich vor dem Projekt. Für ihn war Imperial Palace nicht nur ein wirtschaftlicher Fehlschlag, sondern Teil einer systematischen Einflussoperation der Kommunistischen Partei Chinas auf amerikanischem Boden. Der Komplex steht heute leer. Ein vergoldetes Mahnmal dafür, wie wirtschaftliche Versprechen zur sicherheitspolitischen Bedrohung werden können.

Chinesisches Geld, amerikanisches Territorium

Seit Jahren warnen Experten wie die geopolitische Analystin Cleo Paskal vor einer schleichenden Unterwanderung durch die Kommunistische Partei Chinas auf den Nördlichen Marianen. In ihrem Beitrag für die Pacific Island Times bezeichnet sie die Nördlichen Marianen als „Chinas Hintertür in die USA“. Das Commonwealth bietet für solche Einflussnahmen ein ideales Einfallstor: Zwar handelt es sich um US-Territorium, doch gelten dort in Teilen abweichende Visa- und Einwanderungsregelungen. So konnten chinesische Investoren über große Projekte wie das Imperial Palace Casino Fuß fassen und politischen Einfluss gewinnen.

Lobby des Imperial Pacific Resort Hotels, Saipan. Foto: David Jones (2020). Lizenz: CC BY 4.0 DEED

Ein zentrales Einfallstor war der Geburtstourismus: Reiche Chinesinnen reisten gezielt auf die Marianen, um ihren Kindern durch Geburt auf US-Boden die amerikanische Staatsbürgerschaft zu sichern. Parallel dazu verknüpften chinesische Geldgeber ihre Interessen eng mit lokalen Eliten – und darüber hinaus. In den Aufsichtsgremien des Casino-Betreibers saßen zeitweise auch frühere US-Kongressabgeordnete und ehemalige Mitarbeiter von Bundesbehörden wie dem FBI. Ihre Präsenz verlieh dem Projekt anfangs den Anschein von Legitimität, wurde später aber selbst zum Teil von Ermittlungen.

Das Imperial Palace geriet unter Verdacht, ein Zentrum für Geldwäsche und illegale Finanztransaktionen zu sein, und wurde schließlich geschlossen. Medienberichte legen zudem nahe, dass durch gezielte Spenden, Lobbyarbeit und politische Patronage versucht wurde, Wahlen zu beeinflussen und so die politische Kontrolle über das Commonwealth zu sichern – zugunsten chinesischer Interessen.

Geopolitik auf pazifischer Bühne

Für Peking sind die Nördlichen Marianen strategisch von Bedeutung: Guam, der wichtigste US-Stützpunkt im Westpazifik, liegt nur etwa 200 Kilometer südlich. Ein pro-chinesischer Einflussbereich im CNMI würde die amerikanische Präsenz im „zweiten Inselbogen“ gefährden – genau jenem Gebiet, das China langfristig durchbrechen will.
Der US-Ausbau der Luftwaffenbasis auf Tinian, als Ausweichstandort für Guam, zeigt, dass Washington die Gefahr erkennt. Doch viele Beobachter kritisieren, dass die Reaktion zu spät kommt.

Wer übernimmt die Kontrolle über die Zukunft der Nördlichen Marianen?

Mit dem Tod von Arnold Palacios steht das Commonwealth der Nördlichen Marianen an einem Scheideweg. Die politischen Weichen werden nun von Vizegouverneur David Apatang gestellt, doch unklar ist, ob er Palacios’ entschlossenen Widerstand gegen den chinesischen Einfluss fortsetzen oder auf eine weniger konfrontative Linie einschwenken wird. Während internationale Mächte um strategische Vorherrschaft im Pazifik ringen, wird die Zukunft der Marianen nicht nur von geopolitischen Interessen, sondern auch von den Entscheidungen einzelner Politiker und der lokalen Bevölkerung abhängen. Eines ist sicher: Das Schicksal dieses kleinen US-Territoriums ist längst zu einem Spiegelbild des globalen Machtkampfs mit weitreichenden Folgen für die gesamte Region geworden.

Weiterführende Berichte

Asia Times: „Northern Mariana Islands lose their last, best hope“
Der Kommentar in der Asia Times deutet den Tod von Arnold Palacios als geopolitische Zäsur und als Wendepunkt in der Auseinandersetzung zwischen US-Territorien und chinesischem Einfluss.
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China Uncensored: „Chinas Invasion hat begonnen“
Der amerikanische YouTube-Kanal China Uncensored analysiert den geopolitischen Kontext des plötzlichen Todes von Gouverneur Palacios und warnt vor einer gezielten Einflussnahme Pekings auf die Nördlichen Marianen.
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